Tom Friedman
Wie die meisten jungen Künstler benutzt Tom Friedman ganz verschiedene Medien.
Er versteht sich als Bildhauer und Forscher und präsentiert neben Objekten, Installationen
auch Zeichnungen und Texte. Sein Interesse gilt der Wahrnehmung und zeigt sich in seiner
besessenen Suche, vom intellektuellen zum emotionalen Verständnis der Dinge zu kommen.
Tom Friedman wurde 1965 in Missouri geboren, studierte Grafik und Illustraion in Washington
und Bildhauerei in Chicago, wo er 1990 mit dem Fakultätspreis der Universität abschloss.
Im ersten Jahr an der Schule war er völlig blockiert und wusste, dass er fürs zweite Jahr
etwas grundlegend ändern musste. Deshalb räumte er sein ganzes Atelier aus, verdeckte die
Fenster und verpasste allem einen weissen Anstrich; obschon er es nicht wusste, erfand er
den "white cube" neu. Von zu Hause brachte er dann einzelne Alltagsgegenstände in den Raum
und wartete ab, was damit passieren würde; als erstes z.B. ein Metronom, welchem er tagelang
zusehen konnte.
Glücklich in der Leere eine Startpunkt gefunden zu haben, explodierte in der Folge seine
Schaffenskraft förmlich.
In der amerikan. Kunstwelt wird Tom Friedman anscheinend oft als Aussenseiter bezeichnet,
aber trotzdem (oder vielleicht deshalb) hat er schon eine Einzelausstellung im Museum of
Modern Art in New York realisieren können. Die Titel seiner Ausstellungen geben einen guten
Einstieg in seine Kunst; "Subject matters" "percept/image/object",
"rien à signaler", "critical mass",
"more than real", "stretch the truth", "Pop Surrealism",
"Dust memories", "word perfect", "ideas in things",
"the greenhouse effect“, "Vanitas personae".
Da geht es um Dinge und um die Vorstellungen von den Dingen, da ist jemand mit
philosophischem Ansatz und offenbar ein Workaholic. (73 Gruppen-ausstellungen und
21 Einzelausstellungen in prominenten Häusern innerhalb von 10 Jahren!)
Ich weiss nicht genau warum, aber sofort haben mich seine Arbeiten elektrisiert, vielleicht weil
es eine ganz neuer Ansatz seiner Arbeiten ist. Es scheint mir, dass ganz oft natürliche
(aus der Chaostheorie bekannte) Wachstumsprozesse zu sehen sind. Von einfach Vorgaben aus
entwickeln sich die fantastischen Dinge.
"I think the time element becomes relativ to each peace. Even ones that take a
minute or a second seem to compress or to expand time in a way whereby they become
similar to the more laboured pieces. One’s idea of an instant or an eternity takes
the same amount of time to think about." (Tom Friedman)
Auch wenn er Spuren des Vergangenen zeigt, sind das keine memento-moris, der Betrachter,
von seiner Gegenwart aus, erkennt sehr schnell die Regeln und kann so die Zukunft vorhersehen.
Eine bezeichnende frühe Arbeit ist: "Faeces on Pedestal"; auf einem weissen Würfel von 50cm
Kantenlänge präsentierte er ein winziges, kaum sichtbares Kügelchen seines Stuhls von 0,5mm
Grösse. Zu dieser Zeit untersuchte er, wann und wie der Übergang von der Vorstellung von
einem Ding zum materiellen Ding vor sich geht und natürlich umgekehrt, bis zu den
Quantentheorien Heisenbergs. Dort erscheint plötzlich eine Unschärfe zwischen Ort und Zeit,
welche Tom Friedman als eine Unschärfe zwischen Innenwelt (Fantasie) und Aussenwelt
(Erfahrung) interessiert.
Ihm geht es nicht so sehr darum, zu untersuchen, was eine Idee ist, sondern wie sie aussieht
und wie sie im Zusammenhang mit andern Ideen steht (wie Melodien in der Musik). Ihn
interessiert das Prozesshafte, die Abfolge der Ideen, die Verzweigungen, die Fortentwicklung
seiner Arbeiten. Dabei geht er je länger, je mehr von einem emotionalen Aspekt aus.
Bezeichnenderweise liebt er den Schriftsteller Robert Walser, den Hippie-Oberguru Timothy
Leary, PSI-, Fantasy- und Science-Science-Fiction Geschichten.
Da alle Arbeiten in seinem "white cube"-Atelier entstehen und in ihrer Sprache sehr
reduziert sind, wird er häufig in Nähe zur Minimal-Art gestellt, obschon der spielerische,
naive, fragende und humorvolle Umgang mit den Dingen kaum etwas mit der Welt der Minimal-Art
zu tun hat. Einzig der existentielle Zugang zum Sinn der Kunst ist ähnlich.
Seine Arbeiten präsentiert Tom Friedman ganz logisch; ein Blatt Papier hängt man an einen
Nagel, Waschpulver liegt auf dem Boden, eine Wolke schwebt usw.
Nun möchte ich noch einige Arbeiten vorstellen, die mich speziell faszinieren: 1996 entstand
folgende Videoinstallation: auf einem Sockel steht ein Farbfernseher mit ausgezogenen Antennen.
Auf dem Bildschirm meint man zuerst ein ganz gewöhnliches Farbrauschen zu sehen, aber dem ist
nicht so. Tom Friedman hat einen Scanner mit Zuckerbonbons bedeckt und diese von Bild zu Bild
neu vermischt und die Bilder dann animiert.
" I’ve been thinking a lot aubout complexitiy lately. I know that ist something
that has been thought about before, but what interests me is my inability to process
everything that I’m confronted with and the idea of the whole....what I do ist the
phenomenon of taking something that ist crystal clear to me, something I seem to know,
and finding that the closer I get an the more carefully I inspect, the less clear it
becomes."(Tom Friedman)
Ein interessanter Aspekt zeigt sich auch in "1.000 Hours of Staring", ein Blatt Papier,
welches er zwischen 1992 und 97 1000 Stunden lang angestarrt hat. Zu diesen Stunden addieren
sich die Stunden, welche das Papier von den Ausstellungsbesuchern erhält.
In "Darkroom" (1994) meint man dagegen auf den ersten Blick nur eine vollkommen schwarze
Fotografie vor sich zu haben, aber plötzlich erkennt man, dass der ganz feine weisse,
horizontale Strich in der unteren Mitte, nicht ein Stäubchen auf dem Bild ist, sondern Licht.
Es ist der Sonnen-schein, welcher unter der Türe durch in Tom Friedmans Atelier dringt.
Nun meinen wir auf dem Foto den Raum zu "sehen".
Eine weitere, fast unsichtbare Arbeit ist ein Selbstportrait, das er aus einer
Aspirintablette geschnitzt hat. Aspirin, ein Kopf, Kopfschmerzen, Bewusstsein, eine neue
Gedankenkette entsteht...
Zur Idee des Verschwindens habe ich zwei Arbeiten von Tom Friedman gefunden: In einen ganz
gewöhnlicher Holzstuhl hat er so viele Löcher gebohrt, dass er gerade noch stehen bleibt
und ein Blatt Papier hat er mit einer Nadel so oft durchlöchert, dass es eben noch
zusammenhängt.
Als letztes möchte ich noch auf die vieldeutige, poetische Arbeit hinweisen, wo Tom Friedman
sich auf eine runde Fläche von Waschpulver gelegt, und wie die Kinder einen "Schnee-Engel"
gemacht hat.
Monika Loeffel 2001
.....und Tom Friedman schreibt auch Texte!
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